Eltern-Kind-Entfremdung

Im nachfolgenden soll versucht werden, dass o.a. Thema anzusprechen und bestimmte Aspekte aufzuzeigen. Das Thema ist so umfangreich, dass nicht alle Aspekte angesprochen werden können, dazu bedarf es dann sicherlich eines- oder mehrerer Bücher.

Für Kinder ist eine Trennung eine belastende Situation, wobei Eltern gefordert sind, vor allem das oder die Kinder im Blick zu haben. Es stellt das Ende der Familie da und es wäre falsch zu behaupten, dass eine Trennung der Eltern eine Fehlentwicklung dargestellt, sondern die Trennung ist Teil einer familiären Gesamtentwicklung. Dieses Erkennen führte dazu, dass die Scheidung heute nicht mehr wegen Verschulden eines Partners ausgesprochen wird, sondern wegen der Vermutung, dass eine Zerrüttung der Partner stattgefunden hat. Diese Zerrüttung wird vermutet, wenn die Eheleute mehr als ein Jahr getrennt leben.

Mit der Trennung und Scheidung ist die Paarbeziehung beendet, die Elternbeziehung bleibt. Im Jahre 1982 erschien eine Broschüre mit dem Titel „Eltern bleiben Eltern“.

Mit Trennung und Scheidung darf die Kommunikation der Eltern nicht aufhören, sondern sie muss sich auf eine andere Ebene verlagern, nämlich der Bereitschaft zur Sorge und Pflichten für das Kind.

Eigentlich ist damit schon viel geschrieben, aber wie immer liegt die Problematik im Detail. Die getrennten Eltern führen oft die Kommunikationsebene fort, die sie schon vor der Trennung innehatte und das hatte auch schon nicht geklappt. Sie müssen deshalb eine neue Ebene der Kommunikation finden, deren Inhalt sich ausschließlich auf das Wohl des Kindes zu konzentrieren hat. Wenn dieses nicht selbstständig gelingt, bieten die Jugendämter oder Erziehungsberatungsstellen Hilfe an.

Es gibt ein Lied mit dem Titel „ Scheiden tut weh“. Es ist eigentlich ein Kinderlied und bezieht sich auf den Wechsel der Jahreszeiten. Aber die Überschrift ist übertragbar.

Bei einer Scheidung – dieses gilt auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften- kann niemand gewinnen. Zumindest die Träume von einer Lebenspartnerschaft haben sich zerschlagen und oft ist der Trennung ein zermürbender Krieg vorausgegangen. Wenn einer der Partner sich in der Beziehung als auffällig erwiesen hat, so wird diese Auffälligkeit häufig auf die Ebene Eltern-Kind übertragen und verkannt, dass die Auffälligkeit sich aber auf der Partnerschaftsebene stattgefunden hat.

Nochmals in aller Deutlichkeit, weil es einfach wichtig ist. Es gibt die Partnerschaftsebene und es gibt die Eltern-Kind Ebene. Wenn der Vater eines Kindes sich in der Beziehung als „Schurke“ erwiesen hat, so kann er doch der liebevollste Vater sein. Dieses zu begreifen und zu akzeptieren ist ein Lernprozess, der notwendig ist um die Chancen zu erhöhen, damit es dem Kind gut geht. Aber oft wird dieses nicht gesehen und dann sind Gedanken vorhanden wie: „ wie kann er/sie ein guter Vater/Mutter sein, bei dem was er mir angetan hat“.

Wird dieses nicht gelernt, ist der Streit um das Kind vorprogrammiert. Dieses führt zu zermürbenden Auseinandersetzungen für alle Beteiligten und vor allem für das Kind.

Bei dem Kampf um das Kind werden alle Mittel eingesetzt um die eigenen Interessen durchzusetzen und es wird völlig aus den Augen verloren, dass Kinder eigene Rechte haben. Und vor allem das Recht mit beiden Elternteilen ungestörten Kontakt zu haben. Gerade in Hamburg wird von den
Fachdiensten ein Kurs angeboten „Kinder im Blick„ der diesen Eltern Hilfestellung geben soll.

Ziel des Kampfes ist keineswegs „etwas Gutes für das Kind zu tun“ sondern seine eigenen Interessen auf den Rücken des Kindes durchzusetzen.

Solche Interessen fangen schon ganz banal an. Die Mutter hat einen neuen Partner gefunden und will mit diesem zusammen bleiben, der Vater des Kindes stört nur diese Beziehung, oder der neue Partner ist eifersüchtig, droht zu gehen. Die Möglichkeiten sind endlich.

Bei der Abfassung des Textes ist mir aufgefallen, dass hier in diesem Bereich vor allem die Mütter von mir beschrieben werden. Dabei soll hier keineswegs der Eindruck entstehen, dass der Beitrag zum Nachteil der Frauen abgefasst wird. Es ist aber eine gesellschaftliche Tatsache, dass immer noch Frauen die meiste Betreuungsarbeit für Kinder leisten und Kinder insgesamt mehr bei der Mutter als bei dem Vater leben. Folge ist in der Praxis, dass mehr Frauen betroffen sind als Männer, welche die oben skizierten Ebenen nicht zu unterscheiden vermögen.

Wenn der alte Partner (aber Vater des gemeinsamen Kindes) stört, gilt es diesen zu entsorgen. Dieses mag hart klingen, ist aber mittlerweile anerkannt. Ich kann nur empfehlen bei YouTube einmal den Suchbegriff „Der entsorgte Vater„ einzugeben.

Bewusst und unbewusst wird versucht, eine Eltern-Kind Entfremdung herbeizuführen. In der anwaltlichen Praxis erlebt man dieses, wenn z.B. die Mutter im Verfahren vor dem Familiengericht ausführt, „ ich habe gar nichts dagegen, wenn das Kind seinen Vater sehen will, aber das Kind will ja nicht“.

Das mag dann durch aus auch so sein, hat aber natürlich seinen Hintergrund. Gardner hat 1984 den Begriff Parental Alienation Syndrome (PAS). eingeführt und damit den Versuch unternommen, negative Einflussnahme auf die Beziehung eines Kindes zum anderen Elternteil in ein Konzept zu fassen. Nach Gardner ist das elterliche Entfremdungssyndrom eine kindliche Persönlichkeitsstörung die hauptsächlich im Zusammenhang mit den Konflikten der Eltern auftritt. Sie resultiert aus programmierender (gehirnwäscheartiger) elterlichen Indoktrination und eigenen Beiträgen des Kindes zur Verteufelung des (anderen) Elternteils. Diese These ist aber auch in Kritik geraden, weil ein Elternteil als Entfremder und das andere Elternteil als Opfer dargestellt wird. Weiteres zu dem Thema PAS, darf ich bitten bei Wikipedia, als Einführung nachzulesen.

Trotz der Kritik an Gardner darf dessen Beitrag zur Diskussion um das Thema nicht in Frage gestellt werden.

So hat der Gesetzgeber in § 1684 Abs. 2 BGB die Wohlverhaltensklausel formuliert. Danach haben beide Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweiligen anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Es wird von den Eltern eine Bindungstoleranz des Kindes zu dem anderen Elternteil nicht nur erwartet, sondern es wird eine Verpflichtung ausgesprochen. Bindungstoleranz ist ein Teilbereich der Erziehungsfähigkeit.

Es kann also schon hilfreich sein, bereits in der Erziehungsberatungsstelle die gesetzliche Klausel zu übernehmen und so einen Vertrag zwischen den Eltern abzuschließen, mit dessen Unterschrift bestätigt wird, sich an die Grundsätze zu halten, dass über den anderen Elternteil nicht schlecht gesprochen wird. Wenn sich der Konflikt nicht lösen lässt, ist sicherlich der Weg zur Erziehungsberatungsstelle/Jugendamt und Rechtsanwalt unumgänglich.

Hamburg, im Januar 2023

Rechtsanwalt
Bernd Meding